Die Bildung der Vergangenheit im Kurmanji-Kurdischen stellt einen der größten und fundamentalsten Unterschiede zum Deutschen dar. Gerade hier lauert eine der gewichtigen Fehlerquellen für Deutschlerner (und umgekehrt natürlich auch). Aber fangen wir zunächst mit einigen Grundlagen an, um das Verständnis des Themas etwas zu vereinfachen.

Im Deutschen unterscheidet sich die Markierung (d. h. die äußere Form) des Subjekts eines intransitiven (objektlosen) nicht von der eines transitiven Verbs (also mit Akkusativobjekt). Beide stehen im Nominativ. Das Objekt eines transitiven Verbs bekommt dabei den Akkusativ zugewiesen und unterscheidet sich damit vom Subjekt sowohl transitiver wie intransitiver Verben. Das folgende Beispiel soll dieses für uns gewohnte Muster verdeutlichen:

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Zum Zwecke der weiteren Diskussion soll der rot markierte Partizipant hier S (Single participant in an intransitive clause ‚einziger Partizipant eines intransitiven Satzes‘), der blau markierte Agens (‚Akteur, Handelnder‘) und der grün markierte Patiens (‚Betroffener, Erleidender‘) genannt werden. Dieses Verhältnis kann auch wie in der folgenden Abbildung dargestellt werden:

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Dasselbe Verhältnis finden wir in der kurdischen Gegenwart auch:

Kurdish Present.png

Die Vergangenheit

Während sich hier in der deutschen Vergangenheit ebenfalls nichts bei der Markierung der Partizipanten ändert, wird die Markierung im Kurdischen umgedreht. Hier werden S und Patiens gleich und der Agens unterschiedlich markiert:

Kurdish Preterite.png

Der Agens steht hier im Objektfall, der Patiens im eigentlichen Subjektfall. Darüber hinaus richtet sich die Personalendung des Verbs im zweiten Beispiel nicht mehr nach dem Agens wie noch in der Gegenwart weiter oben, sondern nach dem Patiens, dem Objekt. Graphisch kann das Verhältnis in diesen Sätzen wie folgt dargestellt werden:

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Sprachen, die ihre Partizipanten nach einem ausschlaggebenden Kriterium (hier Zeitform) unterschiedlich markieren, verfügen über einen sogenannten Ergativsplit.

Für kurdische Deutschlerner ist hier also wichtig, die Markierung von Subjekt und Objekt in der Vergangenheit nicht zu vertauschen und die Verbalendung in jedem Falle nach dem Subjekt auszurichten! Eine wörtliche Übersetzung des zweiten Vergangenheitsbeispiels oben könnte sonst zu Missverständnissen im Deutschen führen. Er würde dann eben gerade das umgekehrte Verhältnis, dass er mich und nicht ich ihn gesehen hätte, ausdrücken.


Referenzen:

Thackston 2008, Haig 2017

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Foto:

By Dûrzan cîrano (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)%5D, via Wikimedia Commons